Schenkelbrand: alte Tradition endet zum Jahresablauf

Informationen des Westfälischen Pferdestammbuchs zum zukünftigen Verbot des Schenkelbrands

         

 

Seit 2009 ist die Verordnung zur Kennzeichnung von Pferden in Kraft, nach der EU-weit grundsätzlich alle neugeborenen Fohlen mit einem Transponder gekennzeichnet werden müssen. Ausnahmen sind durchaus möglich: So gibt es beispielsweise in Österreich keine Transponderpflicht. Für Deutschland wurde in der sogenannten „Viehverkehrsordnung“ aber festgelegt, dass die Kennzeichnung mit Transponder Pflicht ist; dies gilt seit dem Fohlenjahrgang 2010.

Der traditionelle Heißbrand wurde von den Pferdezuchtverbänden jedoch weiter zusätzlich als Kennzeichnung und Markenwerbung durchgeführt.

Doch hierüber konnte man geteilter Meinung sein. Die einen befürworteten weiterhin den Brand, andere begrüßten, dass den Fohlen dieses Ereignis erspart bleiben kann: Westfälische Züchter konnten sich frei entscheiden, ob sie zusätzlich zur Injektion des Mikrochips in den Hals auch noch den Heißbrand, das „W“ auf dem Schenkel, wünschten oder nicht.

Bereits ein Jahr nach Inkrafttreten der EU-Verordnung vermeldete die Bundestierärztekammer, dass das Brennen  aus tierschutzrechtlichen Gründen nun nicht mehr zu vertreten sei, da eine Kennzeichnung des Pferdes mittels Heißbrand im Zeitalter des Transponders nicht mehr notwendig sei. „Fohlen erleiden beim Brennen mit dem verbandseigenen Markenzeichen eine hochgradige Verbrennung, die unter Bildung einer Narbe abheilt. Nur durch diese gezielte Verbrennung bleibt das Brandzeichen permanent sichtbar. Eine Schmerzbehandlung findet nicht statt“ – mokierte sich die Bundestierärztekammer. Den Werbezweck für den jeweiligen Zuchtverband könne das Brandzeichen ebenso gut im Internet, in Printprodukten oder auf Ausrüstungsgegenständen transportieren. 2010 bekräftigte Prof. Mantel, Präsident der Bundestierärztekammer, die Haltung der Tierärzteschaft: „Mit der neuen EU-Verordnung haben die Brandzeichen ihren Zweck verloren und damit muss die Ausnahmeregelung im Deutschen Tierschutzgesetz aufgehoben werden. Schließlich fügt man dem Fohlen durch das Brennen grundlos Schmerzen zu.“

Brand nicht verboten

Genau diese zeitlich begrenzte Ausnahmeregelung im Tierschutzgesetz wird es nun ab dem 1. Januar 2019 nicht mehr geben – sie läuft zum 31. Dezember 2018 aus. Mit diesem Stichtag kann kein Zuchtverband mehr einen Heißbrand setzen, ohne sich laut Tierschutzgesetz strafbar zu machen.

Dabei ist der Brand mit dem glühenden Brenneisen durchaus nicht verboten. Aber er darf nicht ohne Schmerzausschaltung gesetzt werden. Diese Schmerzausschaltung beim Fohlen könnte ein Betäubungsmittel   erfüllen, das lokal auf die Hautstelle aufgetragen wird, auf der der Brand gesetzt werden soll.

Doch genau das ist der springende Punkt. Denn ein solches, im veterinärmedizinischen Fachjargon „Lokalanästhetikum“ genanntes Präparat, das für die Tierart Pferd und für den Zweck des Aufbringens auf die Haut zugelassen ist, gibt es derzeit nicht. Das liest sich  im medizinisch hoch entwickelten Europa des 21. Jahrhunderts wie ein Märchen – ist aber wahr.

Kein zugelassenes Lokalanästhetikum

Fünf Jahre, in der die Ausnahmeregelung im Deutschen Tierschutzgesetz galt,  hatten die deutschen Tierhalter, Tierzüchter und deren Interessengemeinschaften und Verbände Zeit, nach Lösungen für dieses Dilemma zu suchen. Im Schulterschluss mit den Pharmaherstellern haben sie es versucht, sind jedoch noch nicht erfolgreich. Die Pferdezüchter stehen dabei durchaus nicht allein in ihrem Bemühen um eine auf ihren Bedarf zugeschnittene Schmerzausschaltung beim Tier.

Auch die deutschen Ferkelerzeuger haben aktuell ein großes Problem. Für sie ist mit Ablauf der Fünf-Jahres-Frist die Zeit vorbei, in der sie betäubungslos männliche Ferkel kastrieren konnten. Vier Bundesländer, darunter auch NRW, hatten einen Antrag auf Fristverlängerung um weitere zwei Jahre gestellt – und sind damit Mitte September im Bundesrat gescheitert. Der Bundesrat wird keinen Gesetzentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes in den Bundestag einbringen.

Doch rund eine Woche später schaltete sich der Koalitionsausschuss  der Regierungsparteien ein und lieferte ein Beschlusspapier ab mit dem Wortlaut, eine Initiative mit  dem Ziel auf den Weg zu bringen, die Übergangsfrist bis zum vollständigen Verbot der betäubungslosen  Kastration um zwei Jahre zu verlängern. Also Aufschub für die Ferkelhalter? Nein, ganz so einfach ist es noch nicht, der Beschluss allein hat noch keine Gesetzeskraft, es muss nun eine tatsächliche Änderung des Tierschutzgesetzes folgen. Diese muss vom Bundestag mehrheitlich beschlossen werden. Zudem könnte noch der Fall eintreten, dass der Bundesrat Widerspruch erhebt.

Könnte diese mögliche Fristverlängerung um zwei Jahre auch ein rettender Strohhalm für die Pferdezüchter sein, doch noch am Heißbrand festhalten zu dürfen?

Man war nah dran

„Ich kann nur jedem raten, das Brenneisen ab dem 1. Januar 2019 nicht mehr anzufassen“, stellt Dr. Klaus Miesner, der Geschäftsführer des Bereichs Zucht bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) klar. „Wir hatten fünf Jahre Zeit, es hat bislang nicht funktioniert, aber wir waren dicht dran“, kommentiert er den Status quo.

Dicht dran? „Ja, es gibt ein Lokalanästhetikum, das für Pferde zugelassen ist – jedoch nur für das Aufbringen auf Schleimhaut. Und Haut ist keine Schleimhaut. Wir gingen davon aus, dass die Zulassung nur um diesen Punkt hätte erweitert werden können. Doch dies war nicht der Fall. Eine Neuzulassung des Arzneimittels hätte beantragt werden müssen“, erläutert Dr. Miesner. Und eine Neuzulassung ist teuer für die herstellenden Pharmaunternehmen, denn Zulassungen setzen lange, komplizierte Verfahren voraus. Diese hohen Kosten scheuen die Arzneimittelhersteller in jenen Fällen, in denen ihnen die Entwicklung und die Zulassung eines Medikaments nur einen geringen Ertrag einbringen würde. Und dieser geringe Ertrag wäre bei einem Schmerzmittel, extra für Pferde, extra lokal, extra für Haut zu erwarten. Denn die Grundgesamtheit aller deutschen Fohlen pro Jahr ist einfach zu gering, um damit im Verkauf des Schmerzmittels rentabel zu bleiben. Vermutlich würden die Einnahmen die Entwicklungs- und Zulassungskosten auf Jahre nicht decken.

„Auch die Ferkelzüchter haben ein solches Medikament nicht, aber ich glaube, dass sich das in naher Zukunft ändern könnte, denn bei den Ferkelbetäubungen geht es um Millionen Stückzahlen“, prognostiziert Dr. Miesner. Eher also ein lohnendes Geschäft für eine Pharmafirma.

Aber der Zucht-Chef der FN lässt sich noch nicht entmutigen. „Im Moment haben die Pferdezüchter noch kein passendes Medikament zur Verfügung, doch vielleicht gelangt ja in ein oder zwei Jahren eines auf den Markt“. Zu hoffen wäre das aus seiner Sicht.

Mikrochip birgt Fehlerquote

„Der Heißbrand ist immer wieder in der Diskussion, er hat im Laufe der Jahrzehnte einige Entwicklungsstadien durchlaufen, wenn man an den früheren Halsbrand denkt. Aber es gibt auch gute Gründe für den Fortbestand des Schenkelbrands: Durch ihn lässt sich ein Pferd ein Leben lang identifizieren und in die BRD zurückverfolgen. Er ist unwiderruflich gesetzt und sichtbar. Die Pferdezuchtverbände und die FN leben mit dem Anspruch: ein Pferd, eine Identifizierungsmöglichkeit, ein Leben lang.“

Und das scheint für den Mikrochip in der Halsmuskulatur nicht unbedingt zu gelten. So hat es Fälle gegeben, in denen ein Chip nicht mehr auslesbar war, weil der Transponder nicht mehr gesendet hat. Es gab länderspezifische Probleme wie in den USA, deren Lesegeräte aufgrund anderer Machart deutsche Chips zunächst nicht auslesen konnten. Dann gibt es durchaus eine Anzahl von Fällen, hinter denen man betrügerische Absichten vermuten kann, wenn lukrative Aussichten dafür sprechen, dass ein Pferd auf einmal ein anderes, mit anderem Namen, Herkunft und Genetik sein soll.

„Uns sind schon Pferde zur Eintragung als Turnierpferd vorgestellt worden, die zwei oder drei Chips in sich trugen“, berichtet Dr. Miesner aus der schnöden Realität. Zuletzt gab es beim CHIO in Aachen international startende Pferde, deren Mikrochip nicht ausgelesen werden konnte.

„Aus welchen Gründen auch immer“, sagt Dr. Miesner, „die Identität eines Pferdes ist in Gefahr, verloren zu gehen, wenn ein Chip nicht gelesen werden kann. Denken Sie an ein deutsches Fohlen, das ins Ausland exportiert wird. Sie möchten, dass es sein Leben lang als Ihr Zuchtprodukt und das Ihres Zuchtverbands in Erscheinung tritt. Hat es aber keinen Brand, kann ihm mittels eines neuen Chips eine ganz neue Herkunft und Identität gegeben werden. Ist ein Chip im Ausland nicht mehr lesbar, werden mit einem neuen Chip auch schon mal neue Papiere ausgestellt. In denen steht möglicherweise nur noch der Besitzer, vielleicht die Ahnentafel aber nicht der Züchter oder die Herkunft. In – zumeist nicht-europäischen Ländern – könnte es so stattfinden.“

Und leider gibt es auch keine internationale oder länderübergreifende Gen-Datenbank, die eine Identifizierung der Pferde mittels Genmaterial zulässt. So ist es durchaus möglich, dass ein gebürtiger Westfale plötzlich im internationalen Sport als ausländisches Sportpferd das Viereck betritt.

Nur mithilfe eines Schenkelbrands könne sich ein Pferd auch ohne Chip zurückverfolgen lassen, so Dr. Miesner. „Sie erkennen den Zuchtverband und eine Nummer und können das Pferd anhand dieses Merkmals, zumeist untermauert durch ein hinterlegtes DNA-Abstammungsprofil, vom Zuchtverband identifizieren lassen“, erläutert er.

Das Fazit

„Nur, wenn wir es nicht schaffen, eine geeignete Substanz für das schmerzfreie Setzen des Heißbrands zu finden, ist der Brand weg. Wir sollten aber den Klimmzug gemeinsam mit den deutschen Zuchtverbänden schaffen, den Brand zu erhalten“, bekräftigt Dr. Miesner. Der Schenkelbrand ist aus diesem Grund auch noch weiterhin in der gemeinsamen Zuchtverbandsordnung der deutschen Zuchtverbände (ZVO) verankert und wird nicht herausgenommen, erläutert er. Seiner Meinung nach sollten die Zuchtverbände das Setzen des Heißbrands auch nicht vorschnell aus ihren Statuten nehmen. „Diese Entscheidung müssen natürlich die Verbände treffen. Aber man kann die Verwendung des Heißbrands auch aussetzen, und dennoch in der Satzung belassen – für den Zeitpunkt, an dem das geeignete Medikament zur Verfügung steht.“

Nun, wo es schon fast sicher ist, dass die Ferkelerzeuger einen zweijährigen Aufschub der betäubungslosen Kastration erhalten, wollen auch die Interessenvertreter der Pferdezüchter auf politischer Ebene intensiv um eine Aufschubfrist für den Heißbrand ringen. Außerdem wird ein erneutes Gutachten für die Zulassung eines Medikaments zur Schmerzlinderung für den zukünftigen Heißbrand angestrebt.

Dr. J. Wiedemann (Redaktionsleitung Reiter und Pferde in Westfalen)